Europäischer Raum für Gesundheitsdaten: Rat und Parlament erzielen Einigung

(Pressemitteilung des Europäischen Rats) Der Rat der EU und das Europäische Parlament haben eine vorläufige Einigung über einen neuen Rechtsakt erzielt, durch den der Austausch von und der Zugang zu Gesundheitsdaten auf EU-Ebene erleichtert wird. Die Einigung muss nun sowohl vom Rat als auch vom Parlament gebilligt werden.

Ziel der vorgeschlagenen Verordnung für einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space, EHDS) ist es, den Zugang von Einzelpersonen zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten und ihre Kontrolle darüber zu verbessern. Gleichzeitig soll die Weiterverwendung bestimmter Daten für Zwecke des öffentlichen Interesses, der Unterstützung der Politik und der wissenschaftlichen Forschung ermöglicht werden. Im Vorschlag ist eine gesundheitsspezifische Datenumgebung vorgesehen, die dazu beitragen wird, einen Binnenmarkt für digitale Gesundheitsdienste und -produkte zu fördern.

Derzeit gibt es in der EU Unterschiede beim grenzüberschreitenden Zugang zu Gesundheitsdaten. Nach den neuen Vorschriften soll es beispielsweise möglich werden, dass ein spanischer Tourist eine Verschreibung in einer deutschen Apotheke abholt, oder dass Ärzte auf die Gesundheitsinformationen eines belgischen Patienten zugreifen können, der in Italien behandelt wird.

Nach monatelanger engagierter und harter Arbeit haben wir eine Einigung erzielt, die die Patientenversorgung und die wissenschaftliche Forschung in der EU entscheidend voranbringt. Die heute vereinbarten neuen Rechtsvorschriften werden es Patienten ermöglichen, überall in der EU auf ihre Gesundheitsdaten zuzugreifen. Zugleich werden sie der wissenschaftlichen Forschung aus wichtigen Gründen des öffentlichen Interesses eine Fülle sicherer Daten verschaffen, was der Entwicklung der Gesundheitspolitik in hohem Maße zugutekommen wird. Frank Vandenbroucke, Vizepremierminister und Minister der Sozialen Angelegenheiten und der Volksgesundheit

Einfacherer Zugang zu Gesundheitsdaten für Einzelpersonen

Nach den neuen Vorschriften werden Einzelpersonen einen schnelleren und einfacheren Zugang zu ihren elektronischen Gesundheitsdaten erhalten, unabhängig davon, ob sie sich in ihrem Heimatland oder in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten. Darüber hinaus werden Bürgerinnen und Bürger mehr Kontrolle darüber haben, wie ihre Daten verwendet werden. Die EU-Länder werden verpflichtet, eine digitale Gesundheitsbehörde zur Umsetzung der neuen Bestimmungen einzurichten.

Größeres Forschungspotenzial

Außerdem werden Forscherinnen und Forscher sowie politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dank dem EHDS auf bestimmte Arten sicherer Gesundheitsdaten zugreifen können. So können sie das enorme Potenzial der EU-Gesundheitsdaten nutzen und diese für die wissenschaftliche Forschung im öffentlichen Interesse auswerten.

Sicherstellung der Interoperabilität

Der derzeitige Grad der Digitalisierung von Gesundheitsdaten in den EU-Mitgliedstaaten ist unterschiedlich, was den Austausch von Daten über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg erschwert. Nach der vorgeschlagenen Verordnung müssen alle Systeme für elektronische Patientenakten (European Health Record Systems, EHR-Systeme) den Spezifikationen des europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten entsprechen, womit ihre Interoperabilität auf EU-Ebene gewährleistet wird.

Wichtige Elemente der vorläufigen Einigung

Mit der heute zwischen dem Rat und dem Parlament erzielten vorläufigen Einigung wird der ursprüngliche Vorschlag der Kommission in einer Reihe von Schlüsselbereichen geändert, unter anderem in Bezug auf

  • Nichtbeteiligung: Die Mitgliedstaaten können Patientinnen und Patienten die Möglichkeit geben, dem Zugriff auf ihre Daten – sei es durch den behandelnden Angehörigen der Gesundheitsberufe (Primärgebrauch) oder für anderweitige Verwendungszwecke (Sekundärnutzung, stets unter strengen Auflagen), mit Ausnahme für Zwecke des öffentlichen Interesses, Politikgestaltungs- und Forschungszwecke sowie statistische Zwecke – zu widersprechen;
  • eingeschränkt zugängliche Informationen: Wenn Patientinnen und Patienten sich für einen eingeschränkten Informationszugang entscheiden, können Angehörige der Gesundheitsberufe nur in Situationen von lebenswichtigem Interesse auf eingeschränkt zugängliche Gesundheitsdaten zugreifen;
  • sensible Daten: Die Mitgliedstaaten können strengere Maßnahmen für den Zugang für Forschungszwecke zu bestimmten Arten sensibler Daten, wie etwa zu genetischen Daten, einführen;
  • vertrauenswürdige Dateninhaber: Um den Verwaltungsaufwand zu verringern, können die Mitgliedstaaten vertrauenswürdige Dateninhaber einrichten, die Anträge auf Zugang zu Gesundheitsdaten sicher verarbeiten können;
  • klinisch signifikante Befunde: Wenn Forschende Zugangsstellen für Gesundheitsdaten über Befunde informieren, die die Gesundheit eines Patienten, dessen Daten im Zuge der wissenschaftlichen Forschung verwendet wurden, beeinträchtigen können, kann die Zugangsstelle für Gesundheitsdaten den vertrauenswürdigen Dateninhaber informieren, der seinerseits den Patienten oder den behandelnden Angehörigen der Gesundheitsberufe über diese Befunde unterrichten muss.

Nächste Schritte

Die vorläufige Einigung muss nun vom Rat und vom Parlament gebilligt werden. Anschließend wird sie nach Überarbeitung durch die Rechts- und Sprachsachverständigen von beiden Organen förmlich angenommen. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft.

Hintergrund

Am 3. Mai 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Europäischen Raums für Gesundheitsdaten (EHDS). Der Vorschlag behandelt den ersten von neun europäischen sektor- und bereichsspezifischen Datenräumen, die die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine europäische Datenstrategie“ aus dem Jahr 2020 vorgestellt hat. Der Rat hat sich am 6. Dezember 2023 auf sein Verhandlungsmandat geeinigt.

Ziel des EHDS ist es, den grenzüberschreitenden Zugang zu und Austausch von Gesundheitsdaten zu erleichtern. So soll einerseits die Gesundheitsversorgung unterstützt („Primärnutzung von Daten“) und andererseits der gesundheitsbezogenen Forschung und Politikgestaltung (Weiterverwendung von Daten, auch als „Sekundärnutzung von Daten“ bezeichnet) eine bessere Informationsgrundlage verschafft werden. Der europäischen Raum für Gesundheitsdaten gilt als zentrale Säule der Europäischen Gesundheitsunion.